Ernest Hemingway veröffentlichte diesen eindrücklichen Roman 1940 und erzählt darin die bewegende Geschichte eines jungen amerikanischen Freiwilligen, der während des Spanischen Bürgerkrieges (1936-1939) den Auftrag erhält, zusammen mit republikanischen Guerillas eine Brücke zu sprengen.
Hemingway war während des Spanischen Bürgerkrieges als Journalist in Spanien unterwegs, weil er über einen sehr guten Kenntnisstand verfügte, da er auch schon vor dem Krieg viel in Spanien unterwegs war und der spanische Mentalität und Kultur sehr nahe stand.
Die Handlung spielt in der Bergkette Sierra de Guadarrama zwischen Madrid und Segovia und umfasst lediglich vier Tage und drei Nächte. Die Geschichte wird gefühlt in Echtzeit erzählt, was eine unglaubliche Sogwirkung und Spannung erzeugt. Zudem wechselt Hemingway immer wieder den Erzählstil: Die Geschichte wird aus der Perspektive eines allwissenden Erzählers wiedergegeben, welche durch Dialoge unterbrochen und durch den inneren Monolog des Hauptprotagonisten ergänzt wird. Das alles ist sehr raffiniert und gut durchkomponiert und zieht die Leser*innen von Beginn an mitten in die Geschichte hinein.
Dabei ist der Erzählstil anfangs sehr langsam, beinahe gemächlich und nimmt erst auf den letzten zweihundert Seiten an Fahrt auf.
Um Freundschaft und Zusammenhalt geht es dabei, um Liebe und Pflichterfüllung sowie um die moralische Verantwortung jedes Einzelnen.
Man muss kein Experte für den Spanischen Bürgerkrieg sein, um den Roman zu verstehen, etwas Hintergrundwissen, vor allem wer wem gegenüberstand, ist jedoch hilfreich.
Obwohl Hemingway klar auf der Seite der Republikaner stand, zeigt er auch deren Gräueltaten gegenüber den faschistischen Putschisten auf und veranschaulicht auf diese Weise die Grauen des Krieges eindrücklich.
Der historische Hintergrund wird authentisch wiedergegeben und viele der militärischen Figuren sind historisch belegt – auch wenn sie zuweilen unter anderen Namen im Roman auftauchen…
Wer die Lebensgeschichte Ernest Hemingways kennt, dem wird schnell klar, dass die Hauptfigur über einige autobiografische Züge verfügt – wie in den meisten seiner Romane...
Der Roman war derart erfolgreich, dass Hollywood 1943 eine Verfilmung mit Gary Cooper und Ingrid Bergman in den Hauptrollen realisierte. Obwohl der Film sehr gut geworden ist, verfügt er zu keiner Zeit über die Intensität und Tiefe des Romans, weshalb ich ihn hier lediglich als Ergänzung empfehlen kann…
«For Whom The Bells Tolls» ist meiner Meinung nach Hemingways bestes Werk und ohne Frage einer der spannendsten und mitreissendsten Romane der Weltliteratur, die ich kenne!
Erzählt wird die Geschichte von Robert Jordan, einem jungen amerikanischen Freiwilligen, der während des Spanischen Bürgerkrieges als Dynamiter eine republikanische Guerilla-Einheit unterstützt. Jordan erhält den Auftrag, bei einer gross angelegten Offensive der republikanischen Truppen auf die Stadt Segovia, eine Brücke in den nahe gelegenen Bergen zu sprengen.
Robert Jordan und der kleine Guerilla-Trupp verstecken sich in einer Höhle in den Bergen. Ebenfalls im Lager lebt Maria, eine junge Frau, welche nach der Hinrichtung ihrer Eltern durch die faschistischen Einheiten durch Zufall bei den Guerillas landet und dort von Pilar, der Frau des Anführers Pablo, unter ihre Fittiche genommen wird.
Während Jordan zusammen mit den Guerillas die Gegend um die Brücke auskundschaftet und einen Plan für die Sprengung derselben ausarbeitet, verliebt er sich in Maria. Maria erwidert seine Gefühle und die beiden durchleben eine kurze und intensive Beziehung in den wenigen Tagen vor der Sprengung.
Als der erwartete Tag endlich da ist, scheint vorerst alles nach Plan zu verlaufen. Während Jordan zusammen mit Anselmo die Sprengladungen anbringt, ahnen sie noch nicht, dass der Feind längst über die bevorstehende Offensive informiert ist und ihr Rückzug nach der erfolgreichen Sprengung alles andere als einfach werden wird…
Originaltitel: For Whom the Bell Tolls
Originalverlag: Charles Scribner’s Sons, New York City
Erstveröffentlichung: 1940
Sprache: Englisch
Land: USA
Meine Ausgabe
Übersetzung ins Deutsche durch: Paul Baudisch
Verlag: Artemis & Winkler Verlag, Zürich
Jahr: 1997
Verarbeitung: Bordeauxroter Ledereinband mit Goldprägung und Goldschnitt, sowie Dünndruckpapier und Fadenheftung.
Einbandgestaltung: Artemis & Winkler Verlag
Seiten: 616
Verarbeitungsqualität (1-10): 10
ISBN: 3-538-05889-X
Literarische Gattung: Roman / Kriegsroman
Literarischer Anspruch (1-10): 7
Handlungsorte: Spanien
Thema: Spanischer Bürgerkrieg
Schlagwörter:
Bürgerkrieg / Liebe / Guerilla / Krieg / Brücke / Sabotage / Faschisten / Republikaner / Tod
21. Juli 1899 in Oak Park, Illinois, USA
02. Juli 1961 in Ketchum, Idaho, USA
Ernest Hemingway war ein US-amerikanischer Schriftsteller und Journalist.
Geboren wurde Hemingway als Sohn einer wohlhabenden Familie in Illinois.
1917 verliess er die Highschool vorzeitig, um als Reporter in Kansas City zu arbeiten. 1918 ging Hemingway als Fahrer einer Sanitätstruppe an die italienische Front, wo er verletzt wurde. Seine Erlebnisse während dieser Zeit, verarbeitete er 1928 in seinem Roman «In einem anderen Land».
Ernest Hemingway war ein Abenteurer und Einzelgänger. Seine Faszination für Extremsituationen führten in unter anderem zu Grosswildsafaris in Afrika, dem spanischen Stierkampf, zum Hochseefischen in die Karibik sowie zu gefährlichen Aufträgen als Kriegsberichterstatter im Spanischen Bürgerkrieg…
Seine Erlebnisse verarbeitete er jeweils in spannenden, nicht selten auch autobiografisch geprägten, Romanen und Erzählungen.
1953 erhielt Hemingway für seine Novelle «Der alte Mann und das Meer» den renommierten Pulitzerpreis und ein Jahr darauf den Nobelpreis für sein literarisches Lebenswerk.
Ernest Hemingway gilt heute als einer der populärsten und prägendsten amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.
Public Domain: Fotografie von Lloyd Arnold: Ernest Hemingway in Sun Valley, Idaho 1939
Steinbecks unnachahmlicher, heiterer Schreibstil macht dieses kleine Werk zum grossen Lesevergnügen. Ein auf den ersten Blick humorvoll verpackte, einfache Geschichte offenbart dem Leser gerade durch diese Einfachheit einen Einblick in menschliche (Un)-Tiefen und erhebt selbst den einfachen Landstreicher zum Philosophen.
Trotz der vielen skurrilen Figuren wachsen einem die Protagonisten von Seite zu Seiten mehr ans Herz. Wenn dann noch Sätze folgen wie...
"Henri, der Maler, war kein Franzose und hiess auch nicht Henri. Er war auch kein richtiger Maler".
...hat mich der Autor schon restlos überzeugt davon, dass ich weiss, dass ich nichts weiss (Sokrates).
Das einzige, das mich ärgert, ist die Tatsache, dass ich dieses wunderbare Buch nicht schon viel früher gelesen habe. In diesem Sinne: Sehr zu empfehlen!
Tagediebe und Lebenskünstler, Sonderlinge und die Dirnen aus Doras Bordell: Sie alle bevölkern die Straße der Ölsardinen im kalifornischen Fischerstädtchen Monterey. Sie leben in alten Lagerhallen, wie Mack und seine Kumpel, denen jede geregelte Arbeit verhasst ist. Sie hausen in ausrangierten Dampfkesseln und alten Röhren oder wie Henri, der Maler, in einem Boot Marke Eigenbau, in dem es keine seiner Freundinnen lange aushält. Sie treffen sich im unerschöpflichen Kramladen des Chinesen Lee Chong, in den Kneipen rund um die Fischkonservenfabriken, in Doras Etablissement oder im Laboratorium des Meeresbiologen "Doc", den sie eines Tages mit einer grandiosen Party überraschen wollten. Doch die Sache geht schief …
Originaltitel: Cannery Row
Originalverlag: Viking Press, New York, USA
Erstveröffentlichung: 1945
Sprache: Englisch
Land: USA
Meine Ausgabe
Übersetzung ins Deutsche durch: Rudolf Frank (1993)
Verlag: Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main
Jahr: 2009
Verarbeitung: Bedruckter Pappdeckel mit Fadenhaftung und farbigem Vorsatzblatt.
Illustrationen von: Philip Waechter
Seiten: 251
Verarbeitungsqualität (1-10): 7
ISBN: 978-3-7632-5948-9
Literarische Gattung: Roman / Gesellschaftsroman / Episoden-Roman
Literarischer Anspruch (1-10): 5
Handlungsorte: Monterey, Kalifornien, USA
Thema: Armut
Schlagwörter: Depression / Menschen / Zusammenleben / Freundschaft / Meer / Leben
27. Februar 1902 in Salinas, USA
20. Dezember 1968 in New York City, USA
John Steinbeck ist einer der ganz grossen amerikanischen Romanciers. Viele seiner Werke gelten heute als Klassiker. 1962 wurde Steinbeck der Nobelpreis für Literatur verliehen.
Zu seinen Hauptwerken gehören: „Von Mäusen und Menschen“ (1937), „Die Früchte des Zornes“ (1939), „Die Strasse der Ölsardinen“ (1945) sowie „Jenseits von Eden“ (1953).
Henry Green ist ein Meister des Dialogromans und bewerkstelligte diese Kunst nie eindrücklicher als in diesem Roman - und dies unterhaltend und kunstvoll.
Green lässt seine Figuren aus dem Dienstbotentrakt in ihrer eigenen Sprache sprechen und schafft es auf diese Art, sie äusserst authentisch und glaubhaft darzustellen.
Henry Greens dezente und gleichzeitig urkomische Art ist einzigartig in der englischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Ein grossartiges Werk!
Um dem Zweiten Weltkrieg möglichst aus dem Weg zu gehen, hat sich eine englische Familie auf ihren Landsitz in Irland zurückgezogen.
Der alte Butler liegt noch im Sterben, da macht sich der Diener Charley Raunce schon bereit, dessen Nachfolge anzutreten. Dazu bringt er erst einmal die Notizbücher und die Whisky-Karaffe des Sterbenden an sich. Die Notizbücher geben Auskunft über die Höhe der Trinkgelder, der Whisky löst ihm die Zunge zum ersten Kompliment für das junge Hausmädchen Edith, dieser wahren "Heldin" des Buches.
Bis beide ein Paar sein werden, vergeht ein ganzer Roman, in dem die Fortschritte und Umwege dieser Liebe genau beobachtet und mit realistischer und ironischer Sprache verzeichnet sind.
Originaltitel: Loving
Originalverlag: Hogarth Press, London, England
Erstveröffentlichung: 1945
Sprache: Englisch
Land: Grossbritannien
Meine Ausgabe
Übersetzung ins Deutsche durch: Walter Schürenberg (1988)
Verlag: Steidl Verlag, Göttingen, Deutschland
Jahr: 1988
Verarbeitung: Blauer Leineneinband mit Prägung, Fadenheftung und Schutzumschlag.
Seiten: 285
Verarbeitungsqualität (1-10): 8
ISBN: 3-88243-101-6
Literarische Gattung: Roman / Gesellschaftsroman / Dialogroman
Literarischer Anspruch (1-10): 7
Handlungsort: Irland
Thema: Liebe
Schlagwörter: Dienstboten / Personal / Hierarchie / Herrschaft / Irland / Beziehungen / Mann / Frau / Dialog
29. Oktober 1905 in Tewkesbury, England
13. Dezember 1973 in London, England
Henry Green hiess eigentlich Henry Vincent Yorke und stammte aus einer Industriellen-Familie.
Seine Romane behandeln die Veränderungen in der englischen Klassenstruktur der Nachkriegszeit. Mit seiner lakonischen, sozialkritischen Sprache und seiner subtilen Erzähltechnik, gilt er heute als einer der einflussreichsten englischen Autoren der modernistischen Literatur.
Robert Neumann ist heute kaum noch bekannt, obwohl er in den 1920/30er-Jahren ein viel gelesener Schriftsteller war, der sich vor allem durch seine parodistischen und satirischen Schriften einen Namen gemacht hatte.
„Children of Vienna“, wie dieser Roman im Original heisst, hat Neumann während seiner Exilzeit in London verfasst. Er gehörte damit zu den wenigen deutschen Exilautoren, der in Englisch schrieb. Erst 1975, kurz vor seinem Tod, entschied er sich, den Roman selber nochmals ins Deutsche zu übersetzten – die bis dahin existierende Übersetzung konnte dem Werk in keiner Weise gerecht werden. Entstanden ist eine wunderbare deutsche Kunstsprache, die mit jiddischem, amerikanischem und russischem Slang versetzt ist. Mit dieser Sprache ist es Neumann gelungen, den vergessenen Opfern der Nachkriegszeit eine Stimme zu leihen. Gleichzeitig verschafft sie auch eine gewisse Distanz, um das Erzählte für den Leser überhaupt erträglich zu machen.
Der Roman ist eine Anklage, ein Hilferuf und gleichzeitig eine Parodie auf den Nachkriegspragmatismus, dem gnadenlos die fehlende Menschlichkeit gegenübergestellt wird. Neumann hat eindrückliche Figuren erschaffen, die man innert kürzester Zeit zu kennen glaubt. Der Autor lässt kaum Erklärungen einfliessen – seine Figuren sprechen für sich. Und trotz aller Tragik und Hilflosigkeit der Protagonisten, ist es Neumann gelungen, der Handlung einen hoffnungsvollen Unterton zu verleihen: Der schwarze US-Reverend, der in seiner eigenen Welt ebenso unterdrückt wird wie die hilflosen Wiener Kinder, ist eine Lichtgestalt, auch wenn der Autor die nahe Rettung gleich wieder vereitelt.
In Österreich wurde das Werk nach dem Krieg wenig gnädig aufgenommen – vielmehr sah man den Roman als ungerechtfertigten Angriff auf Österreich und den Verfasser als Nestbeschmutzer an.
Nebst Ilse Aichingers Werk „Die grössere Hoffnung“, ist „Die Kinder von Wien“ einer der eindrücklichsten Nachkriegsromane, die ich kenne – absolut lesenswert!
Die Geschichte spielt im Nachkriegsjahr 1946 in Wien. Eine Gruppe von sechs Kindern lebt in einem Keller eines eingestürzten Hauses. Das Leben - oder besser Überleben - der Kinder ist äusserst beschwerlich, sie frieren, haben chronisch Hunger und versuchen, ihren Keller gegen unliebsame Eindringlinge zu verteidigen. Das älteste Mädchen Ewa trägt durch Gelegenheitsprostitution für die kleine Schicksalsgemeinschaft bei, Jid ist ein geschickter Taschendieb und Goy versucht sein Glück mit Hehlerei…
Eines Tages trifft ein schwarzer US-Reverend auf die Kinder und versucht, die Notlage der kleinen Gruppe zu lindern. Er schmiedet einen kühnen Plan, mit dessen Hilfe er die sechs Waisen in die Schweiz schmuggeln will. Der Plan scheitert jedoch, bevor er richtig umgesetzt werden kann…
Originaltitel: Children of Vienna – A Novel
Originalverlag: Victor Gollancz Ltd, London
Erstveröffentlichung: 1946
Sprache: Englisch
Land: Grossbritannien
Meine Ausgabe
Übersetzung ins Deutsche durch: Robert Neumann (1975)
Verlag: Eichborn, Frankfurt am Main
Jahr: 2008
Verarbeitung: Dunkelgrauer Pappeinband mit rotem Kapitalband, Leseband und Fadenheftung in Schuber.
Reihe: Die andere Bibliothek, Band 279
Einbandgestaltung: Christian Ide / Lisa Neuhalfen
Seiten: 208
Verarbeitungsqualität (1-10): 9
ISBN: 978-3-8218-6200-2
Literarische Gattung: Trümmerliteratur / Nachkriegsliteratur / Exilliteratur
Literarischer Anspruch (1-10): 7
Handlungsorte: Wien, Österreich
Thema: 2. Weltkrieg
Schlagwörter: Krieg / Überleben / Kinder / Jugendliche / Anarchie / Nazi / Sprache / Keller / Rettung
22. Mai 1897 in Wien, Österreich
03. Januar 1975 in München, Deutschland
Robert Neumann ist ein österreichisch-jüdischer Schriftsteller. Er studierte an der Universität Wien Medizin, Chemie und Germanistik.
In den 1920er-Jahren veröffentlichte er erste literarische Werke und wurde 1927 mit dem parodistischen Werk „Mit fremden Federn“ berühmt.
Nachdem seine Werke 1933 von den Nationalsozialisten verboten wurden, emigrierte Neumann nach England, wo er seine schriftstellerische Tätigkeit erfolgreich weiterführte. Zu seinen bekanntesten Werken gehört der jüdische Epos „By the waters of Babylon“ von 1939.
Nach dem 2. Weltkrieg lebte Robert Neumann weiterhin in England, bis er 1958 in die Schweiz übersiedelte, wo er sich in Locarno-Monti im Tessin niederliess. Er arbeitete bis zu seinem Tod als Publizist und Literaturkritiker.
© 1963 Imagno / Barbara Pflaum - Robert Neumann
Die aus Wien stammende Autorin Ilse Aichinger hat in ihrem Leben nur einen Roman verfasst. Dies, so lässt der Text vermuten, um die unglaublichen Gräuel zu verarbeiten, die sie während der Herrschaft der Nationalsozialisten in Wien erlebt hatte.
Es gibt nicht viele literarische Möglichkeiten, Unsagbares zu Papier zu bringen. Ein dokumentarischer Stil wäre denkbar, Ilse Aichinger entschied sich für ein anderes Stilmittel: Sie verwendete eine stark reduzierte, allegorische Sprache, wie sie sonst nur in lyrischen Werken zu finden ist. Dieser Kunstgriff verhilft dem Werk zu eindrücklicher Tiefe und Unmittelbarkeit.
Es ist schwer zu sagen, was kafkaesker ist, die Sprache oder das Beschriebene. Das Gänsehaut verursachende Krippenspiel der Kinder, die bald darauf ins Vernichtungslager deportiert werden oder der Munitionszug, der nicht mehr an die Front gefahren werden kann, weil sich der Lokomotivführer nicht mehr an den Weg dahin erinnert, sind nur zwei Beispiele der surrealen Ereignisse. Der Leser folgt fassungslos der Hauptfigur Ellen quer durch den Kosmos von Demütigung, Vernichtung und Zerstörung.
Die Sprache ist formvollendet und erschliesst ihre wahre Schönheit erst nach dem Einlesen, welches deutlich länger dauert, als bei herkömmlicher Belletristik. Die verdichtete und mit metaphorischer Spielerei durchsetzte Sprache fordert den Leser. Hat man sich aber erst mal frei gemacht von der Erwartung konventioneller Handlungsabläufe und sich mit der stellenweise sehr lyrischen Rhythmik des Textes angefreundet, folgt die Belohnung in Form einer unglaublich sprachgewaltigen und gleichzeitig sprachlosmachenden Geschichte.
Ilse Aichinger hat es geschafft, dem Terror eine Sprache und ein Gesicht zu geben und sie hat unzähligen namenlosen Opfern eine Stimme verliehen. All dies, ohne die Täter oder den Handlungsort beim Namen zu nennen. Das Beschriebene wird deshalb zeitlos und gegenwärtig und macht das Grauen nur noch unmittelbarer.
Ilse Aichinger hat mit diesem Werk grosse Literatur verfasst und damit ein neues Zeitalter deutschsprachiger Wortkunst geschaffen - und all dies mit einem einzigen Roman…
Es wird die Geschichte von jüdischen Kindern erzählt, die eltern-und zukunftslos leben. Sie tragen einen Judenstern, dürfen nicht mehr im Stadtpark spielen und werden schlussendlich von der Gestapo in ein Vernichtungslager gebracht. Die zurückgebliebene Halbjüdin Ellen versucht sich, durch die zerstörte Stadt irrend, nach dem Selbstmord ihrer Grossmutter alleine durchzuschlagen - in der Hoffnung auf Erlösung…
Originaltitel: Die grössere Hoffnung
Originalverlag: Bermann-Fischer Verlag, Amsterdam
Erstveröffentlichung: 1948
Sprache: Deutsch
Land: Niederlande
Meine Ausgabe
Verlag: Büchergilde Gutenberg, Frankfurt a. M.
Jahr: 1994
Verarbeitung: Gelber Leineneinband mit Prägung, blaues Vorsatzpapier, Fadenheftung und Schutzumschlag.
Einbandgestaltung: Anakonda Ateliers, Frankfurt a. M.
Seiten: 277
Verarbeitungsqualität (1-10): 9
ISBN: 3-7632-4199-X
Literarische Gattung: Roman / Trümmerliteratur
Literarischer Anspruch (1-10): 10
Handlungsorte: Wien, Österreich
Thema: Krieg / 2. Weltkrieg
Schlagwörter: Kinder / Juden / Verfolgung / Ausgrenzung / Leid / Hoffnung / Vernichtung / Trauer / Zerstörung
1. November 1921 in Wien, Österreich
11. November 2016 in Wien, Österreich
Ilse Aichinger war eine bedeutende Vertreterin der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur.
Sie hatte als Halbjüdin den 2. Weltkrieg in Wien mit- und überlebt und verarbeitete diese traumatische Zeit in ihrem stark autobiografischen Roman "Die grössere Hoffnung“ sowie in unzähligen Kurzgeschichten, Gedichten und Essays.
1951 - picture alliance/dpa; IMAGNO/Austrian Archives 7941757
Hans Carossa(1878 – 1956) war schon Mitte fünfzig, als die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht gelangten und schliesslich seine Heimat und ganz Europa in den Abgrund rissen. Sein Alter und vermutlich auch seine humanistische Gesinnung führten dazu, dass er nicht wie viele seiner Schriftstellerkollegen die Flucht ins Ausland antrat, sondern in seinem Haus in Rittsteig bei Passau zusammen mit seiner Frau die Wirren des Krieges erduldete.
Hans Carossa verfasste in den späten 40er-Jahren diesen Lebensbericht, in welchem er in poetischer Sprache das Unsagbare in Worte fasste. Dabei beschreibt er die zuweilen abstrus anmutenden Lebensumstände, in welche er immer wieder geraten war: Zum Beispiel als Goebbels auf die exzentrische Idee verfiel, einen europäischen Schriftstellerverband zu gründen und Carossa als Präsident vorsah. Carossa erzählt anhand solcher Geschichten, wie schwierig die Gratwanderung zwischen den Welten sein konnte: Nahm er die Ernennung an, galt er im Ausland als Sympathisant der braunen Horde, lehnte er ab, war ihm der Weg ins Gefängnis, wenn nicht Schlimmeres, sicher…
Carossa verstand es eindrücklich, seinen Weg durch all diese Irrungen und Wirrungen zu finden und konnte nebenbei so einige Kollegen retten, wie etwa Alfred Mombert, welcher 1940 von den Deutschen in Frankreich inhaftiert worden war, oder Peter Suhrkamp, der 1944 in KZ-Haft geraten war. Zu guter Letzt war auch das berühmte Quentchen Glück auf seiner Seite, als er, nachdem er den Passauer Oberbürgermeister schriftlich bat, die Stadt der anrückenden US-Armee kampflos zu überlassen, von einem SS-Offizier in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde. Das Urteil konnte jedoch nicht mehr vollstreckt werden, da die US-Armee bereits einmarschierte…
Hans Carossas Werk «Ungleiche Welten» ist nicht nur ein Stück Zeitgeschichte, sondern gleichzeitig der gelungene Versuch, Terror und Unterdrückung die Macht der Literatur und die Kraft des schönen Wortes entgegen zu stellen.
Carossa war durch und durch ein Humanist und Brückenbauer. Seine einfühlsame Literatur verströmt Versöhnendes, Hoffnungsvolles. Und in diesem Sinne ist auch die Erzählung «Ein Tag im Sommer 1947» gehalten, welche sich ebenfalls in dieser Ausgabe befindet und in einer wunderschönen, poetischen Sprache Carossas Gedankengut widerspiegelt.
Für mich gehört «Ungleiche Welten» zu den eindrücklichsten Werken der Nachkriegsliteratur…
Dieses Werk enthält den Lebensbericht Hans Carossas aus der Zeit des Nationalsozialismus.
Hans Carossa beschreibt die Sorgen, Ängste und Nöte von denen diejenigen heimgesucht wurden, welche während der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland geblieben waren und sich demzufolge mit den unwirklichen Lebensumständen in ihrer Heimat auseinanderzusetzen hatten. Hans Carossa beschreibt seine Verstrickungen mit den Mächtigen aus seiner Perspektive der inneren Emigration.
Abgeschlossen wird das Buch mit der Erzählung «Ein Tag im Sommer 1947», welches die Thematik der Verarbeitung des Krieges ebenfalls widerspiegelt.
Originaltitel: Ungleiche Welten
Originalverlag: Insel-Verlag, Wiesbaden
Erstveröffentlichung: 1951
Sprache: Deutsch
Land: Deutschland
Meine Ausgabe
Verlag: Insel Verlag, Frankfurt am Main
Jahr: 1962
Auflage: 19. – 20. Tausend
Verarbeitung: Moosgrüner Leineneinband mit Fadenheftung und Schutzumschlag.
Zusatz: Erzählung: Ein Tag im Spätsommer 1947
Einbandgestalung: Insel Verlag
Seiten: 301
Verarbeitungsqualität (1-10): 8
ISBN: Keine
Literarische Gattung: Erinnerung / Autobiografie
Literarischer Anspruch (1-10): 8
Handlungsorte:
- Rittsteig bei Passau, Bayern, Deutschland
- Berlin, Deutschland
- Tessin, Schweiz
- Ischia, Italien
Thema: 2. Weltkrieg / Innere Emigration
Schlagwörter: 2. Weltkrieg / Leben / Literatur / Not / Schriftsteller / Nationalsozialismus / Gewissen / Freundschaft / Unterstützung / Deutschland
15. Dezember 1878 in Tölz, Deutschland
12. September 1956 in Rittsteig bei Passau, Deutschland
Hans Carossa war ein deutscher Arzt, Lyriker und Schriftsteller.
Als Sohn eines Arztes studierte Hans Carossa Medizin in München. Nach dem Abschluss des Studiums übernahm er 1904 die Praxis seines Vaters in Passau.
Bereits während seines Medizinstudiums in München unterhielt Carossa Kontakte zu den Dichtergruppen um Rainer Maria Rilke und Frank Wedekind. Von Carossa verfasste Gedichte gelangten zu Hugo von Hofmannsthal, welcher diese umgehend an den Insel-Verlag weiterleitete, was schliesslich 1910 zu Carossas Erstlingswerk führte.
1913 erschien Carossas erstes Prosawerk, gleichzeitig war er weiterhin als Arzt tätig. Während des 1. Weltkrieges wurde Carossa als Bataillonsarzt eingesetzt. Seine Erlebnisse während dieser Zeit verarbeitet er im 1924 erschienenen Werk «Rumänisches Tagebuch».
Carossa verfasste über die Jahre weitere, meist autobiografische, Werke, die ihn zu einem beliebten und viel gelesenen Autoren machten, was schliesslich dazu führte, dass er 1929 seine Praxis aufgab und als freier Schriftsteller sein Geld verdiente.
Hans Carossa entschloss sich während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland zu bleiben und begab sich, wie zum Beispiel auch Erich Kästner, in eine innere Emigration.
Hans Carossas Werk umfasst mehr als 10 Romane, Erzählungen, Gedichte, Essays und Reiseberichte. Seine Werke zeichnen sich durch einen humanistischen Geist und ein feines psychologisches Gespür aus…
Hans Carossa (Bildquelle: J.M.L. Pasquay)
Wolfgang Hildesheimer war selber ausgebildeter Maler und wusste, von was er schrieb, als er 1953 diesen wunderbaren Fälscher-Roman herausbrachte. Vordergründig handelt es sich um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kunstbetrieb, der Gutgläubigkeit von Händlern und der scheinheiligen Ignoranz der Museen.
Tatsächlich ist Hildesheimer Roman noch viel mehr; eine Parodie auf die Wissenschaft und eine bitterböse Satire über Politiker, denen jedes Mittel Recht ist.
Hildesheimers Sprache ist äusserst virtuos und urkomisch. Vor allem zu Beginn, als er seinen Ich-Erzähler Anton Velhagen dessen Jugenderinnerungen bei seiner Tante beschreiben lässt, läuft Hildesheimer zur Höchstform auf. Danach wird die ironische Sprache, der dramatischen Handlung angepasst und erhält einen sarkastischen Unterton.
Alles wird in Frage gestellt, in diesem kleinen Werk, und dieser kompromisslosen Haltung Rechnung tragend, wird nicht nur ein Gemälde gefälscht, sondern gleich ein ganzer Maler erfunden, inklusive fingiertem Lebenslauf und Expertise eines anerkannten „Fachmannes“. Und je länger man als Leser dem wilden Treiben folgt, um so mehr beschleicht einen die Ahnung, dass Wolfgang Hildesheimer so weit von der Realität gar nicht weg sei, wie man dies gerne denken würde.
Der Roman ist absolut zeitlos und brandaktuell, wie der Fall Beltracchi eindrucksvoll beweist. Wolfgang Hildesheimer hat einen vergnüglichen, sehr unterhaltsamen und intelligenten Roman verfasst, der sich liest, als wäre er gestern erst geschrieben worden…
Die Wiederentdeckung des procegovinischen Malers Ayax Mazyrka gilt als kunsthistorische Sensation. Bald ist der barocke Meister unter der Bezeichnung „Procegovinischer Rembrandt“ bekannt, und seine Gemälde finden ihren Weg in die renommiertesten Museen von Berlin, Paris, London oder New York. Dumm nur, dass Mazyrka niemals existiert hat und auch seine Lebensgeschichte von A-Z erfunden ist.
Dem genialen Fälscher Robert Guiscard ist es gelungen, mit seinem erfundenen Maler aus dem 16. Jahrhundert nicht nur die Kassen des kleinen Balkan-Staates Procegovina zu füllen, sondern auch seine eigenen.
Anton Velhagen reist nach Procegovina, um in die Fussstapfen seines Onkels Robert zu treten. Dort angekommen, wird Anton in haarsträubende Abenteuer verwickelt. Als schliesslich Gefahr droht, das ganze Fälscherunternehmen könnte entlarvt werden, überschlagen sich die Ereignisse…
Originaltitel: Paradies der falschen Vögel
Originalverlag: Kurt Desch, München
Erstveröffentlichung: 1953
Sprache: Deutsch
Land: Deutschland
Meine Ausgabe
Verlag: Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main
Jahr: 2017
Verarbeitung: Bedruckt und geprägter Leineneinband mit grünem Vorsatz, zwei Lesebändchen und Fadenheftung.
Illustrationen: Monika Aichele
Einbandgestaltung: Cosima Schneider
Seiten: 212
Verarbeitungsqualität (1-10): 8
ISBN: 978-3-7632-6832-0
Literarische Gattung: Roman / Schelmenroman
Literarischer Anspruch (1-10): 7
Handlungsorte: Balkan (ein fiktives Land)
Thema: Kunstfälschung
Schlagwörter: Kunst / Fälschungen / Betrug / Biografie / Künstler / Kunstbetrieb / Museum / Politik
09. Dezember 1916 in Hamburg, Deutschland
21. August 1991 in Poschiavo, Schweiz
Wolfgang Hildesheimer war ein deutscher Schriftsteller und Maler. 1933 emigrierte er nach Palästina, ab 1937 studierte er Malerei und Bühnenbildnerei in London. Hildesheimer gehörte zu den wenigen deutschen Schriftstellern, die nach dem 2. Weltkrieg nach Deutschland zurückkehrten. Er arbeitete unter anderem als Dolmetscher bei den Nürnberger Prozessen.
Ab 1957 lebte Wolfgang Hildesheimer in der Schweiz, wo er 1982 sogar Ehrenbürger von Poschiavo wurde.
Hildesheimer schrieb nicht nur Romane, Essays und Theaterstücke, sondern schuf auch Hörspiele fürs Radio und übersetzte unzählige englische Klassiker ins Deutsche.
Zu seinen bekanntesten Werken gehört heute vor allem seine 1977 erschienene Mozart-Biografie.
Wolfgang Hildesheimer 1959