Vor ihren Augen sahen sie Gott – Zora Neale Hurston

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HANDLUNG

Florida in den 1930er-Jahren: Janie Crawford, eine Afroamerikanerin, erzählt ihrer besten Freundin Pheoby Watson die Geschichte ihres Lebens: Wie sie als Kind, da ihre Mutter Alkoholikerin war und eines Tages spurlos verschwand, bei ihrer Grossmutter aufwuchs. Die Grossmutter, noch in der Sklavenzeit aufgewachsen, versuchte, ihre Enkelin gut zu verheiraten – Liebe spielte dabei eine untergeordnete Rolle. Dementsprechend endete die kurze Ehe mit dem um einiges älteren Logan Killicks abrupt – Janie verliess ihn mit Joe Stark. Zusammen reisten Sie nach Eatonville, eine der ersten ausschliesslich von Afro-Amerikanern bewohnten Stadt, welche gerade gegründet worden war. Der wortgewandte Joe brachte es schnell zu Ansehen und kleinem Reichtum – doch Janie war nicht zufrieden mit ihrem Leben im Glaskäfig. Zudem machte ihr Joes Kontrollzwang und sein schlechtes Benehmen ihr gegenüber immer mehr zu schaffen.

Als Joe schliesslich unerwartet an Nierenversagen starb, freundete sich Janie mit dem Wanderarbeiter Vergible Woods an, welcher von allen «Tea Cake» genannt wurde. Tea Cake war ein Spieler und Herumtreiber, und alle ihre Nachbarn waren sich sicher, dass er es nur auf Janies Geld abgesehen hatte. Doch Janie liess sich nicht beirren. Sie brach alle Zelte ab, heiratete Tea Cake und reiste mit ihm zusammen in die Everglades. Endlich erfuhr Janie wie es ist, jemanden richtig zu lieben und selber geliebt zu werden – doch das Glück war nur von kurzer Dauer…

REZENSION

Zora Neale Hurston, 1891 in Alabama geboren, gilt als eine der ersten AkteurInnen der Harlem-Renaissance-Bewegung – einer kulturellen und künstlerischen Bewegung afroamerikanischer SchriftstellerInnen und MalerInnen.

Die Lebenswelt der durch die Sklaverei geprägten Grossmutter der weiblichen Hauptfigur Janie ist auf bare Sicherheit ausgerichtet. Die, von der traumatisierten Grossmutter arrangierte, Zweckheirat endet für die Protagonistin in der Desillusion, welcher sie sich nur durch Flucht entziehen kann.
Vom Regen in die Traufe, gerät sie an einen gewalttätigen Kontrollmenschen, welcher klare Vorstellungen der Rollen einer Frau hat: Sie soll schweigen, repräsentieren – und arbeiten natürlich. Erst in der dritten Ehe findet die Hauptfigur so etwas wie eine gleichberechtigte Partnerschaft – auch wenn diese Ehe nach heutigen Massstäben wohl ebenfalls nicht als ideal angesehen werden kann.

Interessant ist, dass Rassismus in diesem Roman kaum eine Rolle spielt. Ganz im Gegenteil, wird die Protagonistin zum Schluss doch durch weisse Frauen vor der Haftstrafe bewahrt. Zora Neale Hurston konzentriert sich ganz auf das Frauen-Männer-Bild innerhalb der afroamerikanischen Gesellschaft und auf die Selbstfindung oder besser gesagt Selbstdefinierung der interessanten Hauptfigur.

Zora Neale Hurston war studierte Anthropologin und kannte sich ausgezeichnet mit den Volksliedern und Volksmärchen des US-amerikanischen Südens aus. Ihr Interesse galt den Menschen und ihren Gebräuchen, was sich in diesem Roman eindrücklich niederschlägt – wenn auch nur als detailgenauer Hintergrund. Die im Roman vorkommende Stadt der Schwarzen, Eatonville, gab es wirklich und galt damals als Vorzeigeprojekt für das „Rassenproblem“ (!)

Vieles, was Huston beschreibt, kommt einem heute noch sehr vertraut und gegenwärtig vor. Gleichzeitig wird einem immer wieder bewusst, in welch einer unwirklich scheinenden Welt alle Beteiligten leben. Dieser Eindruck wird durch die Autorin noch verstärkt, welche stark mit Klischees arbeitet, und durch ihre lautmalerische Sprache – welche genial durch Hans-Ulrich Möhring ins Deutsche übertragen worden ist.

Der Roman zeichnet sich durch einen sehr starken Beginn und einen dramatischen Schluss aus. Im Mittelbereich gibt es jedoch einige Szenen, die sich etwas in die Länge zu ziehen scheinen. Das schmälert den sehr guten Gesamteindruck allerdings nur unmerklich…

Zora Neale Hurstons Roman «Vor ihren Augen sahen sie Gott» wurde nach Erscheinen 1937 aus afroamerikanischer Sicht kritisiert. Zu sehr schienen die Figuren wie Karikaturen. Der Autorin wurde vorgeworfen, genau die Klischees zu bedienen, welche vom weissen Amerika bevorzugt wurden. Dem Werk war kein grosser Erfolg beschieden und so geriet es bald in Vergessenheit – bis es schliesslich in den 70er- und 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt wurde. Nicht zuletzt Alice Walker («Die Farbe Lila»), ist es zu verdanken, dass dieser Roman wieder aufgelegt wurde…
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BUCHVERARBEITUNG

Das Werk ist im kleinen, aber feinen editionfünf-Verlag erschienen.
Der Bucheinband ist in rotes Leinen gefasst und mit in Weiss gehaltener Prägung versehen. Im selben Rot wurden das Vorsatzblatt sowie das Leseband gestaltet.
Das Kapitalbändchen wurde als Kontrast in Weiss gewählt.
Als Schrift wurde ITC Charter eingesetzt und für die Titelei sowie die Kapitelnummern Trade Gothic. Schrift wie Satzspiegel harmonieren gut und sorgen für eine sehr gute Lesbarkeit.
Als Bindeart wurde, wie bei „editionfünf“ üblich, die Fadenheftung gewählt, was den bibliophilen Gesamteindruck wunderschön abrundet!
Eine ausgezeichnete Buchverarbeitung, wie man sie heutzutage leider nur noch selten antrifft!

FAZIT

Zora Neale Hurstons Roman ist ein Stück afroamerikanische und feministische Kulturgeschichte – absolut lesenswert!

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© 2011 editionfünf – Verlag Silke Weniger, Gräfelfing

Autor/Autorin:
Zora Neale Hurston

Originaltitel:
Their Eyes Were Watching God
Erstausgabe:
© 1937 J. B. Lippincott, Philadelphia
Originalsprache:
Englisch

Diese Ausgabe:

© 2011 editionfünf – Verlag Silke Weniger, Gräfelfing
ISBN:
978-3-942374-12-5
Umschlaggestaltung:
Kathleen Bernsdorf, Hamburg
Übersetzung & Nachwort:
Hans-Ulrich Möhring
Schrift:
ITC Charter, Trade Gothic
Seiten

267
BUCH:
VERARBEITUNG:

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