Spitzentitel – Antonio Manzini

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HANDLUNG

«Tolstois Krieg und Frieden ist überarbeitet worden. Es heisst jetzt nur noch „Frieden“. Der Krieg musste weg. Er hat die Leute beunruhigt. In der Welt unserer Leser gibt es nur Liebe, Zuversicht und Gleichklang…»

Der bekannte italienische Schriftsteller Giorgio Volpe hat eben sein Werk beendet - eine grosse Chronik seiner Familie, sein Opus Magnum, als ihn die Hiobsbotschaft ereilt, dass sein Verlag mit zwei anderen grossen italienischen Verlagshäuser fusioniert wurde. Es entsteht ein neuer grosser Verlagskonzern namens „Sigma“. Seine Lektorin ist spurlos verschwunden, der ehemalige Verlagschef nicht mehr zu erreichen. Als dann einige Tage später zwei windige Typen vor Volpes Haustüre stehen und mit ihm zusammen seinen Roman umschreiben wollen, wird Giorgio Volpe klar, dass er in argen Schwierigkeiten steckt - doch er ahnt noch nicht, dass dies erst der Anfang ist…

REZENSION

Antonio Manzini hat in dieser nur siebenundsiebzig Seiten umfassenden Story eine Satire über die moderne Verlagswelt, den Umgang mit Kultur - und in gewisser Weise über die gesamte Wirtschaftswelt - verfasst. Gelungen ist ihm dies zumindest in der ersten Hälfte der Geschichte köstlich. Hier entfaltet er eine schon beinahe kafkaesk anmutende Parallelwelt, in der sich die überrumpelte Hauptfigur völlig überfordert zeigt. Manzini thematisiert nicht nur die Problematik der seelenlosen Grosskonzerne, die sprichwörtlich über Leichen zu gehen scheinen, sondern führt auch die Diskussion über politische Korrektheit ad absurdum.
Wie erwähnt, gelingt ihm dies in der ersten Hälfte dank der originellen Ausgangslage und den durchaus witzig inszenierten Szenen hervorragend. In der zweiten Hälfte lässt er aber meiner Meinung nach die Zügel etwas zu stark schiessen und wird von seiner eigenen Geschichte überrollt. Zu grotesk wird er und zu platt, wo Subtilität wesentlich mehr zu erreichen versprochen hätte.

Antonio Manzini war ein Schüler Andrea Camilleris, und so ist es nicht weiter erstaunlich, dass Manzini eine vergleichbare einfache Sprache führt, die zwar keine literarischen Höhenflüge bietet, zu jeder Zeit aber ihren Zweck erfüllt…
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BUCHVERARBEITUNG

Zum Buch selber ist noch zu sagen, dass es in der wunderbaren und bibliophilen SALTO-Reihe des Klaus-Wagenbach-Verlages erschienen ist. Was bedeutet, dass sich der Käufer oder die Käuferin auf einen schönen roten Leineneinband, Fadenheftung und ein farblich abgestimmtes Vorsatzblatt freuen darf. Als kleiner Gag wurde zur Feier von 30-Jahren SALTO die Fadenheftung mit einem roten Faden vorgenommen, was, wie ich finde, eine originelle gestalterische Idee ist, die mir sehr gefallen hat. Kurz, herstellungstechnisch eine einwandfreie Veröffentlichung!

FAZIT

Wer leichte Unterhaltung sucht und gerne satirische Parabeln mag, könnte an Antonio Manzinis Kurzgeschichte Gefallen finden. Für mich persönlich war zum Schluss dann doch etwas wenig «Fleisch am Knochen»…

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© 2017 Klaus Wagenbach Verlag

Autor/Autorin:
Antonio Manzini

Originaltitel:
Full' orlo del precipizio
Erstausgabe:
© 2015 Sellerio Editore, Palermo
Originalsprache:
Italienisch

Diese Ausgabe:

© 2017 Klaus Wagenbach Verlag, Berlin
ISBN:
978-3-8031-1329-0
Übersetzung:
Antje Peter
Seiten
77
BUCH:
VERARBEITUNG:

© 2019 Blog-Fotos: T. S. Tubai

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